Donnerstag, 11. November 2010

Rasant abschmelzende Bestände

Im Mai nahm Herr Pathologe zurecht verzweifelt an, dass er noch 6 Monate auf seine Marmelade warten müsse. Das war verdammt gut geschätzt. Denn dieses Jahr war ein Schlimmes. Ich legte mich mit dem Tod an und verlor. Ich verlor sogar mich selbst für eine Zeit. Und trotzdem hatte dieses Jahr seine Konstanten. Alle 126 Tage kochte ich Marmelade. In etwa. Ich erhörte schreiende Äpfel und Pflaumen und verarbeitete sie in ihrem Sinn.

Anfang September lauschte ich dem Flehen des Holunders und pflückte auch ihn. "Kann man die essen?", fragt mich ein etwa 14-jähriges Mädchen ungläubig, als es mich am Rhein die Dolden eines Holunderstrauchs abziehen sieht. "Klar, wenn du sie lange genug kochst, ist es das Beste, was du je gegessen hast.", antworte ich. Sie lächelt gnädig-beruhigend zurück, so, als hätte ich Drogen genommen und um alles zu vermeiden, was mich unnötig aufregen könnte. Dann steigt sie wortlos wieder auf ihr Fahrrad und radelt weiter. In diesem Moment hasse ich den Gedanken, dass die Früchte der meisten Holundersträuche ungenutzt verdorren und Kinder nur noch diesen pürierten, überzuckerten Convenience-Smoothie-Dreck aus Gläsern als Marmelade wahrnehmen. Wenn sie nicht gleich zum Frühstück alternativ mit einer fetten Kinder-Milchschnitte die Höchststrafe bekommen.

Dabei ist Marmeladekochen so simpel. Selbst bei waghalsigsten Experimenten kommt allermeistens etwas Essbares Wundervolles heraus. OK, die Apfel/Zimt/Marzipan/Amaretto-Marmelade mit eingetropftem Bittermandelöl und frischen Estragonblättern ist jetzt nichts für Leute, die jede Kalorie zählen, aber sowas kriegt man geschmacklich eben auch nicht im Discounterregal. Und Holunder zu verarbeiten ist und bleibt ein Jenseitsgranatenscheißdreck. 8kg Pflaumen zu entsteinen ist außerdem nur etwas für Leute mit hoher Frustrationstoleranzgrenze, quasi-militärischer Disziplin und einem guten Rioja für die Selbstbelohnung zwischendurch.

Aber am Ende steht das Ergebnis. Und das ist wieder so gut geworden, dass die ursprünglich ausgedehnten Bestände bereits wieder rasend schnell abschmelzen. Will sagen: Sie sollten sich diesmal wirklich beeilen, Herr P. ;)

Bestand per 11.11.2010:
  • 10x 8x Holunder/Pflaume/Zimt/Anis/Amaretto
  • 9x 6x Holunder/Pflaume/Amaretto
  • 3x 2x Pflaume/Pfirsich/Banane/Pflaumenschnaps
  • 4x 2x Pflaume/Pfirsich/Banane/Grand Marnier
  • 6x 1x Apfel/Zimt/Marzipan/Estragon/Amaretto
  • 4x 3x Apfel/Zimt/Pfirsich/Rum
  • 3x 2x Apfel/Zimt/Pflaume/Amaretto
  • 4x 1x Erdbeer/Vanille/Grand Marnier
  • 2x 1x Erdbeer/Rharbarber/Orangensaft/Grand Marnier
  • 8x 4x Erdbeer/Rharbarber/Ingwer/Vanille/Vodka
Neon!
Außergewöhnliches
Dinge, die gut sind
Entgleisungen
Gemalte Lebenserfahrung
Musik
Nachtgedanken
Neon-Award
Neon's Must-Have-Tools
Neon's Top10 List
Schöner Bloggen
Today I Learned
Wort des Tages
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
Meine Layouts
Meine bearbeiteten Skins
Hauptseite (Site.page)
Toolbar (Site.foundationToolbar)
Github Neon
Gitlab twoday.net
Font Awesome Cheatsheet v4