Bleierne Matratzengruft
Stille. Eine bleierne, bedrückende Schwere liegt wie eine meterdicke Schicht von Schmerz und Elendigkeit über dieser Wohnung. Ich sitze am Küchentisch meiner Eltern und starre auf die Präsentation auf meinem Laptop, die ich bearbeiten sollte - doch meine Gedanken sind weit weg.
Leise höre ich das ruhige, beständige Ticken der schweren Eichenstanduhr aus dem Wohnzimmer, während mein Blick über die furnierten Küchenschränke flimmert, die mich an die lang vergangene Zeit erinnern, in der ich hier wohnte. "Hast Du am Mittwoch ein paar Stunden Zeit?", fragt meine Mutter am Telefon und ihre Stimme hat etwas bedrohlich Flehendes, "...ich muss mal hier raus". "Ja, ich werde um halb zwei da sein", sage ich und achte darauf, das nichts passiert, was mein Versprechen auch nur im Entferntesten gefährden könnte.
Kurz sprechen wir noch, über das Morphiumpflaster und das grüne Kontrolllicht des Druckwechselbetts. Dann höre ich die Haustüre zufallen - und ich bin alleine, mit meinem Vater. Unbeweglich liegt er in dem Bett, das mittels einer Maschine auf dem Boden periodisch die Liegeflächen der Matratze mittels Pressluftzufuhr verändert. Es ist dieser Moment, in dem man von der leibhaftigen Existenz von Druckwechselmatratzen erfährt, allerspätestens dann, wenn das eisige Prinzip unverschuldeten Siechtums und kalter, böser, langer Sterblichkeit sich Platz greift in deinem unschuldigen, naiven und bislang lebensfrohen Hirn und deine Welt nicht mehr dieselbe ist. Von jetzt auf gleich. Und nimmermehr.
Wie tot liegt er da. Der Kopf wie die Totenmaske von Heinrich Heine. Den Mund geöffnet. Die Wangen tief eingefallen, die Augen geschlossen. "Paps, ich bin hier, möchtest du etwas trinken?", frage ich meinen Vater. "Jaaa", kommt es leise stöhnend und mit immer geschlossenen Augen zurück. Ich nehme den Trinkbecher mit dem Cola-Wassergemisch und berühre vorsichtig seine Unterlippe. Zweimal saugt er an der Lasche des Bechers, dann lösen sich seine Lippen. "Hast Du Schmerzen?", frage ich, während ich seine Hand halte. Kaum merklich bewegt sich sein Kopf und beendet die Verneinung, als wenn sie unendlich Kraft gekostet hätte. Dann sitze ich wieder am Küchentisch und sende leere Blicke auf die Powerpoint-Slides, bevor ich resignierend aber voller Sinn den Bildschirm zuklappe.
Heute, jetzt, treffe ich die Entscheidung, dass ich nicht so gehen werde. Wenn die Zeit kommt, einst, und hoffentlich weit entfernt, werde ich mein Leben beenden, so es irgendwie in meiner Macht steht, und nicht ein Sklave der bleiernen Matratzengruft werden. Niemals.
Eine Woche später. "Du musst sofort kommen", sagt meine Mutter, "dein Vater glaubt mir nicht, dass wir vor 5 Jahren umgezogen sind". Als ich ankomme, redet er mit geschlossenen Augen. Manchmal klar, manchmal wirr. "Weisst Du, wo Du bist?", frage ich ihn. "Siehst Du den grünen Frosch da?", fragt er mich mit geschlossenen Augen. Nur kurz rebelliert mein sachlich-logisches Gehirn, dann schließe auch ich die Augen. "Ja, Paps, den sehe ich", sage ich und lege meine Hand auf seine rechte Wange.
Neon!
Leise höre ich das ruhige, beständige Ticken der schweren Eichenstanduhr aus dem Wohnzimmer, während mein Blick über die furnierten Küchenschränke flimmert, die mich an die lang vergangene Zeit erinnern, in der ich hier wohnte. "Hast Du am Mittwoch ein paar Stunden Zeit?", fragt meine Mutter am Telefon und ihre Stimme hat etwas bedrohlich Flehendes, "...ich muss mal hier raus". "Ja, ich werde um halb zwei da sein", sage ich und achte darauf, das nichts passiert, was mein Versprechen auch nur im Entferntesten gefährden könnte.
Kurz sprechen wir noch, über das Morphiumpflaster und das grüne Kontrolllicht des Druckwechselbetts. Dann höre ich die Haustüre zufallen - und ich bin alleine, mit meinem Vater. Unbeweglich liegt er in dem Bett, das mittels einer Maschine auf dem Boden periodisch die Liegeflächen der Matratze mittels Pressluftzufuhr verändert. Es ist dieser Moment, in dem man von der leibhaftigen Existenz von Druckwechselmatratzen erfährt, allerspätestens dann, wenn das eisige Prinzip unverschuldeten Siechtums und kalter, böser, langer Sterblichkeit sich Platz greift in deinem unschuldigen, naiven und bislang lebensfrohen Hirn und deine Welt nicht mehr dieselbe ist. Von jetzt auf gleich. Und nimmermehr.
Wie tot liegt er da. Der Kopf wie die Totenmaske von Heinrich Heine. Den Mund geöffnet. Die Wangen tief eingefallen, die Augen geschlossen. "Paps, ich bin hier, möchtest du etwas trinken?", frage ich meinen Vater. "Jaaa", kommt es leise stöhnend und mit immer geschlossenen Augen zurück. Ich nehme den Trinkbecher mit dem Cola-Wassergemisch und berühre vorsichtig seine Unterlippe. Zweimal saugt er an der Lasche des Bechers, dann lösen sich seine Lippen. "Hast Du Schmerzen?", frage ich, während ich seine Hand halte. Kaum merklich bewegt sich sein Kopf und beendet die Verneinung, als wenn sie unendlich Kraft gekostet hätte. Dann sitze ich wieder am Küchentisch und sende leere Blicke auf die Powerpoint-Slides, bevor ich resignierend aber voller Sinn den Bildschirm zuklappe.
Heute, jetzt, treffe ich die Entscheidung, dass ich nicht so gehen werde. Wenn die Zeit kommt, einst, und hoffentlich weit entfernt, werde ich mein Leben beenden, so es irgendwie in meiner Macht steht, und nicht ein Sklave der bleiernen Matratzengruft werden. Niemals.
Eine Woche später. "Du musst sofort kommen", sagt meine Mutter, "dein Vater glaubt mir nicht, dass wir vor 5 Jahren umgezogen sind". Als ich ankomme, redet er mit geschlossenen Augen. Manchmal klar, manchmal wirr. "Weisst Du, wo Du bist?", frage ich ihn. "Siehst Du den grünen Frosch da?", fragt er mich mit geschlossenen Augen. Nur kurz rebelliert mein sachlich-logisches Gehirn, dann schließe auch ich die Augen. "Ja, Paps, den sehe ich", sage ich und lege meine Hand auf seine rechte Wange.
Neon!
Und dann gehoert auch eine gehoerige Portion Mut dazu.
Und Mut... naja, der Schrecken der Matratzengruft scheint mir (persönlich) größer. Die einzige Unsicherheit bleibt der finale Zeitpunkt, denn das Prinzip Hoffnung ist die einzige kaum bestimmbare Variable und hat alle Eigenschaften eines "moving targets".
Ob ein solcher Zeitpunkt kommt, und ob sich bis dahin nicht bereits fließend die persönlichen Bewertungs- und Nutzenkriterien von Leben geändert haben, ist die individuellste aller Fragen.
Und: Ich kann Ihre Gedanken gut nachvollziehen, weil ich darüber ähnlich denke!
(Obwohl - wie die Anderen bereits geschrieben haben - sich Theorie und Praxis dabei wirklich unterscheiden werden).
PS: Es will mir nicht gelingen, mein Mitgefühl zu dieser Situation auf adäquate Weise auszudrücken. Dennoch...
Glauben Sie mir, dass es nichts Erhebendes hat, wenn man gemeinsam mit einem Pfleger die Windeln des eigenen Vaters wechselt. Vor allem, wenn er selbst, hätte er dies vorausgeahnt, schon bei der Vorstellung daran an sofortiges Harakiri gedacht hätte.
Ich glaube an das Prinzip von Planung und Vorbereitung. Gedanklich und in der Praxis. Zumindest diese letzte Entscheidungsoption über mein eigenes Leben will ich jederzeit und immer haben.
Und ich gebe Ihnen in allen Punkten Recht!
War mein Kommentar irgendwie mißverständlich?
Es zeigt mir nur, dass wir an unserer Kommunikation dringend arbeiten sollten! :-))
Ich glaube, Herr Neon hat gegen mich gewisse...ähm...Vorbehalte (?!)
Es ist völlig unnötig, mir erklären zu wollen, WORUM es in Herrn Neons Beitrag geht, liebe Frau Rinpotsche!
Selbst wenn ich mich ungeschickt zu Wort gemeldet oder keine eigenen Erfahrungen beizusteuern habe, ging es weder darum, mich in den Vordergrund zu spielen, noch darum, daß Herrn Neons Beitrag mich "unberührt" liesse!
Und es tut mir leid, daß dem offenbar so ist!
Aber damit will ich zumindest diesen "Diskurs" beenden. Andere sind gerne willkommen.
Ich war bei dem Kommentar auch etwas mehr von mir ausgegangen. Wenn ich nicht weiß, was ich schreiben soll, vielmehr, wie ich es schreiben soll, dann mache ich es auch nicht. Meistens.