Gestochen scharf

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Wenn das Herz die Neigung hat, zuweilen aus dem Sinusrhythmus zu geraten, ist das nichts, worüber man sich übermäßig freut (auch wenn Propofol für's Blitzdingsen wirklich feines Zeug ist) — allerdings verhilft es wenigstens dazu, für die ersehnte Corona-Impfung höher priorisiert zu werden. Zudem bekam ich durch den glücklichen Zufall einer kurzfristigen Stornierung beim lokalen Impfzentrum nur 4 Tage nach meinem Anruf bei der rheinländischen Zentralnummer einen Termin. Letzte Woche war es dann soweit.

Es ist noch früh, als ich mich auf's Motorrad schwinge und zum Impfzentrum fahre. Die Google-Rezensionen künden von bester Organisation und freundlichsten Mitarbeitern; und die Webseite versichert, dass im Rheinland derzeit nur Biontec und Moderna verimpft werden. Alles gut.

"Mit Chip oder ohne?", fragt eine maskierte Dame am Eingang und deutet auf die geteilten Warteschlangen hinter ihr. "Ich bin Techie, also gerne mit!", antworte ich. "Gute Entscheidung!", nickt die Frau zustimmend, "die in der anderen Schlange müssen nämlich eine Einverständniserklärung unterschreiben, dass sie der Pharmaindustrie jederzeit für experimentelle Anwendungen von Hämorrhoidensalbe zur Verfügung stehen!". Ich bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung.

"Wir haben heute zwei Impfteams im Einsatz. Wollen Sie lieber von Claudia Schiffer und Linda Evangelista geimpft werden oder alternativ von Heidi Klum und Naomi Campbell?". Ich muss nicht lange überlegen: "Wissen Sie, ich habe eine langjährige, schlimme Heidi-Klum-Allergie!". "Prima, dann geht's für Sie hier rechts weiter!", sagt die Maskenfrau und schubst mich weiter.

Nachdem ein Mitarbeiter staunend meinen alten Bundeswehrimpfpass begutachtet und für dokumenten­würdig befunden hat, führt er mich in den abgeteilten Impfraum. "Guten Morgen, Herr Neon, 1. Impfung für Sie?", begrüßt mich eine gut gelaunte Claudia Schiffer, etwa Mitte 20, lange blonde Haare, Stupsnase, verschmitzte Augen. "Hier gibt's heute nur Biontec!", flötet Claudia auf meine Nachfrage und ich fühle, wie sie unter der Maske unwider­stehlich lächelt. "Die Ärztin kommt sofort, Sie können sich schon mal freimachen!", haucht Claudia und ich überlege kurz, wie sie das genau meint. Ich entscheide mich (richtig), die Hose anzu­behalten und fummele nervös an meinem Hemd herum, als auch Linda Evangelista den Raum betritt.

"Irgendwelche bekannten Allergien, Herr Neon?", fragt Linda knapp und ich höre mich antworten: "Nur einige Molke­eiweiße und Heidi Klum!". "Das ist absolut kein Problem!, Achtung, piekt jetzt!", sagt Linda, ohne die Mund­winkel zu verziehen, und sticht zügig zu. Ich hoffe kurz, dass ich ohnmächtig werde und von Claudia und Linda abwechselnd Mund-zu-Mund-beatmet werden muss, aber in Corona-Zeiten ist das wohl pure Science Fiction.

"So, hier ist Ihr Impfpass, in 6 Wochen sehen wir uns wieder!", trällert Claudia und verabschiedet mich allerwärmstens. Draußen nimmt mich eine ukrainische Gewicht­heberin in Empfang, die auffällige Ähnlichkeiten mit Olga Korobka hat. Ich habe kurz den Verdacht, dass doch was Schlimmes in der Spritze war, aber nach 15 Minuten Wartezeit im Exitraum des Impfzentrums, welches früher mal eine Sporthalle war, spüre ich keine weiteren beängstigenden Effekte.

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Na ja gut, das mit dem Chip und der Hämorrhoiden­salbe habe ich natürlich erfunden, aber ich schwöre beim Boxermotor meines Motorrads, dass mich Claudia Schiffer und Linda Evangelista letzte Woche echt super­scharf gestochen haben!

Mich wundert, dass Sie bereits zwei Tage die Impfung hinter sich haben und noch immer nicht in den Tiefkühlern der Frau Araxe erwacht sind, säuberlich aufgeteilt in "Äußerlichkeiten", "innere Werte" und "traurige Reste". Sollte der Impfstoff vielleicht doch nicht nur gegen fiese ComputerViren helfen, sondern auch gegen Horrorkabinettbesitzerinnen?

Was die Spritzfindigkeiten bezüglich der Nadelschwingerinnen betrifft: es wundert, dass da nicht eine Frau Graalmann auf Sie wartete. Aber nun gut, da man sich ja nicht mal den Tuning-Chip aussuchen kann, wird es bei den Stecherinnen auch nicht anders sein.

Ich warte derweil auf Bewegung im hessischen Impfdschungel.
Man kann Frau Araxe sicherlich auf Vieles verdächtigen, aber in diesem Fall ist sie gänzlich unbeteiligt (in letzter Zeit bringt sie ja auch lieber Tomaten unter die Erde statt unfähige Praktikanten).

Von Frau Graalmann hätte ich mich natürlich auch liebend gerne stechen lassen, nur spritzt die Traumfrau ja immer noch Farbe auf Leinwände statt Vakzine in Muskelfleisch. Und Schiffer/Evangelista habe ich auch wirklich nur herangezogen, weil die beiden echt so aussahen. #ischschwör #teamgraalmann #foreverkatrin
Die Frau Graalmann spritz übrigens nicht Farbe auf Leinwände, sondern fertigt Radierungen an. Dazu benutzt sie vornehmlich Radiernadeln (und auch Säure). Eine vortreffliche Möglichkeit, um auch unter die Haut zu gehen. Von den späteren Einsatz von Druckwalzen rede ich gar nicht erst.

Mich wundert ja so einiges an Ihrer Beschreibung. Hier wurde z. B. gleich groß im Eingangsbereich der Impfstoff angekündigt:
... neben dem Medizinstudium der 90er Supermodels (also mein Arzt sah ungelogen aus wie 15!) fällt mir vor allen Dingen auf, dass sich scheinbar niemand ans Fotografierverbot (!!!) gehalten hat.
Glückwunsch zur Impfung und kratzgebürstete Grüße...

@Frau Araxe-ich-weiß-das-doch-besser - ja, schon klar, dass Graalmann Radierungen macht, und auch, dass das nix mit einem Ratzefummel zu tun hat (habe nämlich schon selbst mal eine gemacht).

Re Moderna-Info: werde nie verstehen, warum Hamburger so gern Schilder und Beschriftungen sehen; hier ein Bild von einem Tischtaster aus einem chinesischen Restaurant in Fuhlsbüttel. An jedem Tisch war so ein Schalter angebracht (nein, es war wirklich nicht Café Keese) und als Nicht-Hamburger kann man sich evtl. auch ableiten, was passiert, wenn man jede Seite mal ausprobiert: rechts wahrscheinlich zahlen, oben ruft die Bedienung, unten storniert womöglich den letzten Tastendruck, und links entweder eine Eisbestellung oder es erscheinen 2 Shaolinkämpfer, die einen in Stücke hauen. Herrje, ich hab's nicht ausprobiert. Aber das Essen war wirklich gut.

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„werde nie verstehen, warum Hamburger so gern Schilder und Beschriftungen sehen”
Wie war das noch mal evolutionsmäßig mit der Kommunikation? Erst Grunzlaute, dann Höhlenmalerei und dann Schrift oder so. *g*
Also wenn ich nach der Bedienung grunze, kommt sie eigentlich relativ schnell und macht von ihrem Hausrecht Gebrauch.
Ich weiß nicht warum, aber mir fiel gerade dieser Zombiefilm ein. Irgendwie stelle ich mir nämlich gerade vor, wie die Kommunikation bei Ihrem Impftermin ablief. Ihre Sichtweise haben Sie ja beschrieben, aber war das wirklich so? Wie haben die anderen Teilnehmerinnern das real erlebt?
Also ich kann jedenfalls versichern, dass ich Claudia nicht über die Wange geleckt habe, obwohl, wenn ich es zugebe, ich eine Sekunde darüber nachdachte.
Ich bin mir nicht so sicher, dass Sie mit Sicherheit beurteilen können, was Sie gemacht haben.
Taste links könnte heißen: Mir ist das Essen aufs Tischtuch gefallen, bitte kommen und neues bringen. Taste oben zeigt das Piktogramm für “Merkel-Raute“. Welche Bedeutung das für Chinesen hat, ist ungewiss.
Das mit der Merkel-Raute könnte gut sein, Herr Nömix! Zum Beispiel, wenn die Portion süss-sauer mal wieder so richtig groß ausgefallen ist und beim Druck auf die Taste die eindringliche Stimme ertönt: "Wir Sie schaffen das!".
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