Montag, 3. Februar 2014

Ars sterilis

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Ausgefallene, mysteriös anmutende Objekte und Kaufofferten erwarten einen dieser Tage in unschuldig daherkommenden Leuchtenausstellungen. Um dem wachsenden Wunsch des Kunden nach Individualisierung "seines" MassenProduktes Rechnung zu tragen, fertigt die Industrie zunehmend zielgruppenangepasste Produktversionen von Standardwaren, deren Herstellungspreis wohl nur geringfügig über dem des Massenprodukts liegt, aber dem Käufer durch clevere Design- und Individualisierungsmerkmale die Illusion eines hochpreisigen, einzigartigen Unikats vermittelt.

Das oben gezeigte Gattungsexemplar, das mir mit seinen spitzen Auslegern kürzlich beinahe die Augen ausstach, wendet sich offensichtlich klar an die Gruppe der Künstler/Kunstliebhaber sowie Menschen, die auf Literatur und Poesie in Form von bedrucktem Japanpapier auch an ihrer sich schnell erhitzenden Esstischleuchte nicht verzichten wollen.

zettelleuchte2.jpg

Kunst und Unikat — das darf schon etwas kosten. Immerhin wurden hier teuerste Materialien verbaut:

  • ein gelochtes Stahlblech in vertrauter Fliegenfallenoptik mit Glas und Leuchtmitteln,
  • 31 bedruckte und 49 unbedruckte Blätter DIN A5 (Nachbestellung ist möglich),
  • ebensoviele unbehandelte, grundehrliche Stahldrähte in doppelter Wunderkerzenlänge,
  • eine analoge Anzahl schwarzer Gebrauchspapierclips zur individuellen Befestigung des Japanpapiers

Nun, spätestens seit Herrn Shhhhhs erschütternder Küchenerzählung wissen wir, dass Künstler in der Regel dekadente Nichtsnutze sind, die gerne 15.000 Schleifen für eine Küche ausgeben, die sie niemals wirklich verwenden werden. Beim Preis für die waghalsige Zettelleuchte rechnete ich daher mit dem Allerschlimmsten. Allerdings nicht mit € 740.

Der Leuchtenberater bemüht sich darzustellen, dass die Lampe immerhin voll dimmbar sei und edles satiniertes, ja sogar hitzebeständiges Glas in der Fliegenfallenmitte besäße.

Und obwohl ich die Designidee durchaus nicht übel finde, erscheint mir doch die kristallklare Wertlücke zwischen geschätzten (großzügig kalkulierten) Herstellkosten von € 25 und den amtlichen € 740 etwas zu grob.

"Dafür dürfen Sie sie jedoch selbst ganz persönlich zusammenbauen und aufhängen", sagt die Verkäuferleuchte, "das gehört schließlich zum individuellen Kauferlebnis.".

"Ich suche eigentlich etwas, woran ich meine gebrannten CDs hängen kann!", antworte ich. Das Verkaufsgespräch endet abrupt. Da muss ich wohl weitersuchen.

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