Joris im ZAKK Düsseldorf
Kaum aus dem Urlaubsrückflieger gefallen, geht's für den kleinen Neon nach einem kurzen Wochenende schon gleich wieder weiter nach Birmingham, wo diese Woche die Spring Graduation Ceremony mit der Ausgabe der Masterzertifikate ansteht — inkl. zwangseinheitlicher Mietrobe mit Universitätswappen für 45,- GBP und organisiertem Hochwerfen identischer Graduation Caps. Brillantes Geschäftsmodell: keine Robe, kein Zertifikat — bei zighundert Graduates an dem Tag verdient sich der Vermieter für die zweistündige Überlassung der Robe auf jeden Fall mal eine goldene Nase.
Ich hingegen freue mich auf das Joris-Konzert im Düsseldorfer ZAKK, das eigentlich schon im Februar stattfinden sollte, aber wegen einer Schulter-OP des Hauptprotagonisten auf März verschoben werden musste. Hat man nicht so oft, dass die Parkplätze am und um das ZAKK so knapp werden, aber das Konzert ist, wie auch fast alle der noch anstehenden »Hoffnungslos Hoffnungsvoll« Tourauftritte, natürlich restlos ausverkauft. Kein Wunder, seit Joris' Bekanntheitsgrad mit der Veröffentlichung des grandiosen Debütalbums im letzten April durch die Decke ging.
Florian Ostertag wurde von Joris als Support-Act eingeladen und spielt zu Beginn als Warm-Up einige seiner Songs der vergangenen Jahre. Naja, ganz hübsch, die Musik, mir allerdings ein bißchen zu schematisch und gleichmäßig, allerdings hat er's als Solo-Act auch nicht ganz einfach, mit Gitarre oder Mandoline das Schlagzeug-Playback seiner mitgebrachten JVC-Tonbandmaschine taktvoll zu begleiten. Immerhin hat er der Versuchung widerstanden, sich noch Becken auf den Rücken zu schnallen, die zusätzlich mit den Füßen gespielt werden. Das ist anerkennenswert, außerdem sind Stimme, Gitarre und Harmonien ja durchaus hörenswert, wie man z.B. hier begutachten kann:
Als Joris mit den ersten Basstakten auf die Bühne springt, kommt sofort Bewegung in die Menge von 800 eng stehenden Fans und es wird schlagartig 10° Grad wärmer in der Halle. Nach den ersten Joris-Songs wird Freestyle-Rapper Ralf als Freiwilliger aus dem Publikum auf die Bühne geladen, um mit der Gruppe einen improvisierten Rap zu performen (Respekt, Ralf, and lots of street credibility!). Joris spielt in der Folge alle Songs des »Hoffnungslos Hoffnungsvoll« Albums — wirklich absolut grandios, sehr gefühlvoll, individuell, variantenreich, mal leise, mal laut, eben auf den Punkt perfekt ohne dass es auch nur einmal einstudiert wirkt. Ich bin beeindruckt von dem 26-jährigen, der ernsthaft, authentisch und selbstironisch zwischen den Songs mit dem Publikum kommuniziert und in diesem Alter schon so gute Texte und Kompositionen hervorbringt.
Die Bandmitglieder auf allen Plätzen sind top, beherrschen ihre Instrumente hervorragend, spielen konzentriert und harmonieren optimal; vor allem merkt man ihnen den gemeinsamen Spaß auf der Bühne an. Großartige Stimmung auch im Parkett, die Menge tanzt, rudert abwechselnd mit den Armen und/oder übernimmt das Singen der Texte, rotbäckige Mädchen kreischen und hyperventilieren, wenn sie nicht gerade zwischendurch ihren Facebook-Stream kontrollieren (herrje, diese Unfähigkeit zur Fokussierung werde ich nie verstehen).
Nach über 2 Stunden und zwei Zugaben geht's nach langem Applaus raus aus dem ZAKK. Auf dem Weg zum Auto singe ich immer noch Im Schneckenhaus.
Wenn's am schönsten ist
und du nichts mehr vermisst,
dann mach die Augen auf...
Wer noch Karten bekommt, sollte sich das unbedingt auch gönnen.
Konzert-Clip Joris, ZAKK Düsseldorf, Song "Hoffnungslos Hoffnungsvoll", 0:56m