Warum Twoday stirbt
Eigentlich bin ich ein zutiefst positiv denkender Mensch. Das mal vorab. Jedoch, wem sich einmal die prinzipielle Kausalität eines gut gefüllten Waschbeckens erschlossen hat, dessen Abflussstöpsel gezogen, dessen Wasserzulauf hingegen für immer geschlossen wurde, der kann sich auch mühelos in den kommenden, leidvollen Sterbeprozess Twodays hineindenken.
Die Faktenlage ist eindeutig: Vor fünf Monaten wurde im Rahmen einer geplanten Infrastrukturumstellung das Anlegen neuer Blogs gesperrt. Seitdem sind keine neuen Blogs hinzugekommen, doch viele Blogger:innen sind aus Unzufriedenheit gegangen. Spätestens vor drei Monaten hat die Geschäftsführung der vi knallgrau GmbH offensichtlich die Entscheidung getroffen, das Anlegen neuer Blogs prinzipiell abzuschalten und damit bewusst die Strategie eines langsamen Ausblutens Twodays initiiert.
Die grundsätzlich nachvollziehbare strategische Business-Entscheidung, das ehemalige Vorzeigeprojekt Twoday (welches übrigens schon seit längerem auch nicht mehr auf der knallgrau-Website referenziert wird) als mittlerweile reinen Kostenfaktor ohne verbliebenen Marketingwert abzuschalten, wird jedoch zugunsten einer langsamen Degeneration und Auflösung nicht offen und proaktiv kommuniziert — womöglich, um zuviel publizierter Öffentlichkeit, veritablen Shitstorm-Risiken und potenziellen Abo-Regressforderungen der Twoday-Bezahlkunden aus dem Weg zu gehen.
Wie man's auch dreht: die Kommunikationsstrategie Twodays ist ein unfaßbares Desaster. Seit 5 Monaten melden sich stetig neue Blogger an, nur um anschließend festzustellen, dass sie keine neuen Blogs mehr eröffnen dürfen. Außer der gebetsmühlenartigen Wiederholung des Satzes "Derzeit ist keine Änderung geplant." gibt es keinen professionellen Versuch einer vorausschauenden, service- und kundenorientierten Kommunikation, die dabei hilft, unnötige Zeit sowie überflüssige Nachfragen und Postings für Neumitglieder zu vermeiden — geschweige denn eine Bemühung, den teils langjährigen Bestandsmitgliedern mal eine klare Vorstellung von der (limitierten) Zukunft Twodays zu vermitteln.
Der Innovations- und Entwicklungsanspruch Twodays ist ein Bild des Grauens. Selbst minimale Aufwendungen für Reparaturen (z.B. Thalia.at Büchersuche) oder die Bereitstellung eines funktionierenden "BetterEditors" oder die Implementierung eines sicheren, fehlerfreien Bezahlprozesses sind offensichtlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Laut Skin des Bettereditor-Javascripts hat Matthias Platzer die letzte Änderung am 16.04.2004 gemacht, vor knapp zehneinhalb Jahren. Kein Wunder, dass dieser z.B. im Chrome-Browser nicht funktioniert — den gibt's erst seit 2008.
Um dies hier ganz klar zu sagen: Ich kritisiere hiermit nicht die Arbeit von kender oder skydance, die im Namen knallgraus den Betrieb/Support der Blogplattform managen. Sie bewegen sich in einem Lösungsraum, der durch strategische GF-Entscheidungen mittlerweile sehr eng geworden sein dürfte und eher dem nahe kommt, wie wenn man auf der Titanic nochmal die Sonnenstühle gerade rückt.
Ich bedauere und kritisiere hingegen:
- das kleinherzige Wegducken von knallgrau im Sinne einer fehlenden, offenen und ehrlichen Kommunikationslinie in Richtung bestehender und neuer Plattformmitglieder
- die intendierte Politik des passiven, langsamen Ausblutens durch den Entzug jeglicher Entwicklungskapazität, der Verneinung minimal erforderlicher Innovationsschritte und der mutwilligen Regression des Servicelevels bis zur Schmerzgrenze
- die bewusste Dekonstruktion eines langjährigen Produktes im Rahmen eines schleichenden Austrocknungsprozesses und einer desaströsen Image-Entwicklung unter Inkaufnahme eines zunehmenden Blogger-Exodus
Jede/r Twoday-Blogger:in muss sich nach der oben beschriebenen Rahmensetzung der GF klar darüber sein, dass die Plattform ein glasklares Verfallsdatum bekommen hat, wichtige Reparaturen i.d.R. nicht mehr durchgeführt werden und eine Weiterentwicklung nicht mehr stattfindet. Die Frage, WANN Twoday mangels Masse und Inhalt final abgeschaltet wird, ist weiterhin offen. Die Frage jedoch, OB Twoday terminiert wird, wurde m.E. vor 5 Monaten ziemlich klar beantwortet.