Montag, 14. Juli 2014

Unwetternachlese

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"Wir sollten uns wieder auf die Räder schwingen", sage ich, während der Wind plötzlich auffrischt und mein besorgter Blick über die sich verkeilenden dunklen Wolken hastet. "Das da oben sieht nicht gut aus". Ich nehme einen letzten Schluck aus der mittlerweile viel zu warmen Jever Lime Flasche, während mich die anderen Gäste der Strandbar ob ihres stoischen Desinteresses an bedrohlichen Wetterentwicklungen ein wenig irritieren. Offensichtlich bin ich der einzige, den beim Blick auf einen aufgewühlten Himmel und die 30m hohen Pappeln rund ums Sonnendeck eine latente Unruhe befällt.

"Cagando leches!". Endlich kann ich den Spruch mal einsetzen, den mir eine spanische Kollegin einst auf einem Frankfurter Projekt beibrachte, wenn's wirklich schnell gehen musste. Wir jagen auf den Rädern die 4km zurück nach Hause. Es wird stetig dunkler. Dicke einzelne Tropfen klatschen auf meinen Rücken und ins Gesicht. Die Luft riecht nach Gewitter. Menschen strömen uns entgegen auf ihrem Weg zur Stadtteilkirmes. "Das ist der letzte Ort, an dem ich sein möchte, wenn es losbricht", überlege ich noch und gebe dem Festzelt eine (nachträglich zu großzügige) Halbwertzeit von etwa 30 Minuten. Ich schaffe es noch, die Fahrräder einzustellen. Dann ist die Zeit abgelaufen und die Welt beginnt unterzugehen.

Seltsam, was eine existenzielle Erfahrung mit Menschen macht. Am nächsten Tag stehen sie eng beisammen im völlig zerstörten Park, zwischen umgestürzten Bäumen und zerschlagenen Bänken, erzählen sich aufgeregt ihre Erlebnisse und überstandenen Ängste. Angst und erzwungene Veränderung sind außergewöhnliche Katalysatoren für ein schnell wieder erstarkendes soziales Netz (ganz ohne Smartphone). Die Straßen sind grün von Laub und riesigen abgebrochenen Ästen, Bäume liegen unverrückbar quer über der Fahrbahn oder haben einige Autos auf die halbe Höhe verdichtet. "Wie im Krieg!", ruft eine alte Frau und fuchtelt nachdrücklich mit ihrem Gehstock. Die anderen nicken zustimmend, obwohl sie nie einen erlebt haben.

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Als ich am Friedhof vorbeikomme, bringt ein Gehilfe gerade ein Schild an der Eingangstür an. Ich muss schmunzeln. "Sie haben wirklich einen feinen Humor!", sage ich anerkennend. "Wieso?", raunzt der Friedhofsgartenamtmensch und schaut unverständig. "Naja. Friedhof. Lebensgefahr. Sie wissen schon!". Aber es scheint, als sei Ironie doch keine seiner Kernkompetenzen, denn er schaut weiter ratlos. Ich verzichte auf weitere erhellende Ausführungen und mache stattdessen ein Foto. "Könnte mal zum Freitagstexter taugen, irgendwann!". Ich glaube, der Gartenamtbeamte hält mich mittlerweile für durchgeknallt. Na sei's drum.

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