Valar morghulis

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Seit meinem Zerwürfnis mit dem Tod sind einige Jahre vergangen. An der Seite meines Vaters habe ich gut und lange gegen ihn gekämpft, doch schließlich, so wie stets, obsiegte der Knochenmann und nahm ihn mit. Lange ließ er unsere Familie unbehelligt und schnitt die Leben an anderen Orten. Nun ist er zurück, der schwarze Stummmacher.

"So schwach habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt!", sagt meine Mutter und hustet in einem fort. Eine Beinthrombose ist in die Lunge gewandert und hat dort eine Embolie ausgelöst. "Diese Hilflosigkeit macht mich verrückt". Ihre Hände zittern, als sie nach einem Glas Wasser greift.

"Da ist noch etwas anderes", murmelt die junge Stationsärztin, als meine Schwester und ich in ihrem Arztzimmer sitzen. Sie schaut nervös in ihre Krankenakten und ich fühle, dass sie solche Situationen noch nicht oft erlebt hat. "Ihre Mutter hat Krebs, maligne Metastasen an den Lymphknoten, aber wir konnten den Herd noch nicht finden", sagt die Ärztin. "Dazu würden wir gerne eine Lymphknoten- und Beckenkammbiopsie durchführen, wenn Ihre Mutter zustimmt".

Zwei Wochen später haben wir einen Termin im medizinischen Zentrum. "Das bringt Ihnen nichts!", sagt die Onkologin deutlich zu nüchtern, während sie streng über ihre Halbbrille schaut, "der Eierstockkrebs hat bereits in Ihre Lymphknoten metastasiert, da nützt eine OP nichts mehr." Erst jetzt versteht meine Mutter die volle Tragweite dieser Analyse. "Kann ich denn gar nichts mehr dagegen tun?", fragt sie leise. "Das müssen Sie entscheiden", sagt die Ärztin bestimmt und kühl, "das ist eine Abwägung zwischen Lebenszeit und Lebensqualität. Sie können eine milde Chemotherapie machen, da haben Sie nicht viel zu verlieren.". Im Gegensatz zur jungen Stationsärztin hat diese hier schon so viele solcher Gespräche geführt, dass es sie wohl bereits langweilt; zumindest klingen Empathie und Engagement in meinen Ohren anders.

"Womit habe ich das verdient", fragt sie in die Stille, als wir wieder zuhause an ihrem Küchentisch sitzen, "ich habe doch immer so solide gelebt?". "Denk nicht über solche Fragen nach", antworte ich, "sie haben keinen Sinn und führen zu nichts. Lass uns lieber die Zeit nützen und genießen, die wir noch haben". "Du hast Recht", sagt sie, "und wir müssen einiges besprechen".

All diese vielen Götter und Religionen da draußen, die so viel Unglück und Schmerz über die Menschen gebracht haben. Dabei ist nur der Tod der alleinige, wahre Gott. Und das einzige, was wir ihm mit Verve täglich entgegenhalten können ist: "Heute nicht!". Valar morghulis!

Kienspan:
An die Geschichte mit Ihrem Vater kann ich mich erinnern. Ich habe dazu auch noch Beate im Ohr.

Anteilnehmend
Hans
*schweigt und laesst einfach nur eine dicke Umarmung hier*
Danke für's Mit-Empfinden @ S. + Hans + J.
tut mir leid. die ohnmacht ist nicht einfach auszuhalten. dazu die angst - man kann nicht immer tapfer sein. am liebsten würde man sich manchmal vor dem tod verstecken. oder wenigstens die gedanken an ihn abschalten. der tod lässt die, die mit ihm im beruf umgehen müssen, oft abstumpfen. nicht jeder arzt ist auch ein guter seelsorger.

ich wünsche dir, euch eine gute verbleibende zeit mit der mutter. die liebe stirbt nicht.
Danke @ boma und J.
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