Zukunft Antville?

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Seit Twoday das Ende seiner Existenz terminlich disponiert hat, setzen einige Blogger:innen inbrünstige Hoffnung auf ein stabiles Weiterleben bei Antville. Das Angebot der vollständigen Daten­bank­über­nahme ist generös und verspricht Bequem­lichkeit: der Umzug wird von Antville gemanaged, man muss selber nichts tun und alles bleibt, wie es ist. Aber ist ein "Weiter so" für noch lebendige Blogs auch tatsächlich die richtige, weil nach­haltige und zukunfts­sichere Lösung?

Es war Zorras Kommentar, der mich nach­denklich machte. In der Tat will niemand nach der Erfahrung und Agonie des erlebten Twoday-Todes wieder auf einen sterbenden Gaul steigen — und wenn man auch solch geschenktem Tier üblicher­weise nicht ins Maul schaut, macht es vielleicht doch Sinn, einmal etwas genauer hin­zu­schauen, bevor man sich wieder in ein womöglich eher kurz­lebiges Abenteuer stürzt. Oder anders, nämlich als advocatus diaboli, ketzerisch gefragt: Wer rettet hier eigentlich wen?

Die folgenden Auswertungen und Charts nutzen öffentlich verfügbare Daten der Plattformen Twoday und Antville.

Der Blogger-Aktivitätslevel ist auf beiden Plattformen relativ einfach maschinell auswertbar. Antville stellt einen eigenen Link zu seinen öffentlichen Blogs und deren letztem Änderungsdatum zur Verfügung. Bei Twoday liefert diese Information die Blogroll sowie das Datum des letzten veröffentlichten Beitrags. Ausgewertet wurden hier eine annähernd gleiche Zahl von Blogs.

Aktivität lässt sich am besten verdeutlichen, wenn man Änderungsereignisse in zeitliche Kategorien einrastert, z.B. nach Monaten für das erste Jahr, und danach einfach nach vollen Jahren. Jeder Blog wird entsprechend seiner letzten Beitragsaktivität einer Kategorie zugeordnet. Diese Methode lässt durchaus interessante Einblicke und Analysen zu.

Datenbasis 

Der größte Aktivitätspegel bei Antville liegt zu Beginn des Jahrtausends, dann folgt eine Zeit, in der es auf Twoday und Antville gleichermaßen aktiv zuging — bis etwa vor 6 Jahren die Twoday-Aktivität deutlich über die von Antville stieg und diese seitdem nie wieder unterschritt. Und das, obwohl Antville seit dem Frühjahr 2011 wieder eigene Blogneueröffnungen zuließ, wohingegen Twoday seine Tore für Neuzugänge seit April 2014 für immer sperrte. Will heißen: seit 6 Jahren liegt Twodays Blogaktivität um Größenordnungen über der von Antville, und zwar aus der bestehenden Substanz heraus ohne Möglichkeit von Neuzugängen.

Im Jahresvergleich der letzten 365 Tage wird der Unterschied deutlicher: trotz der Twoday-Selbsteinmauerung wurden dort mehr als 2,5x so viele Blogs "gepflegt" und aktualisiert als auf Antville.

Wenn aber Twoday aus durchaus nachvollziehbaren ökonomischen Gründen abgeschaltet werden soll, was heißt das dann für die Zukunftsfähigkeit von Antville? Zumal jetzt schon viele der häufig besuchten Twoday-Blogs zu eigenen, separaten Webauftritten gewechselt sind und wohl nicht zu Antville zurückkehren werden.

Auch scheint niemand realisieren zu wollen, dass die inhärenten Twoday-Probleme, die z.B. zur Google-Penalty und der Streichung aus dem Suchindex geführt haben, nicht automatisch dadurch behoben sind, dass die Plattform dann unter einer neuen Domain auf einem anderen Server läuft. Ganz im Gegenteil: als Antville-Blogger würde ich mir ernsthafte Sorgen machen, ob diese Google-Penalty nicht allzu bald auf weitere Instanzen des neuen Eigners ausgedehnt würde.

Das bereits andiskutierte Copyright-Problem kann man ernsthaft nur dann ignorieren, wenn man noch nie mit Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und teuren Anwaltskosten konfrontiert wurde. Mag sein, dass keiner der 73515 Twoday-Blogeigner damit ein Problem hat, dass sein "intellectual property" ohne seine Zustimmung den Eigentümer wechselt. Doch was, wenn nur einer davon einen professionellen Abmahnanwalt von der Kette lässt? Möglich, dass die ganze Transferlösung von einem Tag zum nächsten vom Netz gehen muss, um hohe Folgekosten zu vermeiden. Kann man das ernsthaft zu 100% ausschließen?

Die von Zorra angesprochene Möglichkeit für responsive Webseiten (z.B. für Mobile/Tablet) ist für Antville mit einer sehr alten Version von UIKit zwar integriert, wird jedoch im Skin-System der tatsächlich betriebenen Antville-Seiten aktuell nicht verwendet. Responsive Webseiten sind mit dem bereitgestellten CSS also prinzipiell möglich, jedoch muss man selbst mit einem vollständigen Skin-Neudesign nachhelfen, wenn man das denn kann und will. Ohnehin gilt das alles natürlich nicht für die dann umgezogene, isolierte Twoday-Datenbank, die voraussichtlich — alles andere machte keinen Sinn — bis zur endgültigen Migration in die Antville-Datenbank auf dem jetzigen Twoday-Stand eingefroren bleibt.

Um das ganz deutlich zu sagen: das Angebot einer Übernahme der Twoday-Blogs seitens Antville ist großherzig, generös und sicherte durch diesen Schritt ein Stück historische Bloggeschichte vor dem Nirwana. Es könnte nach der vollständigen Integration in eine einzige homogene Datenbank mit modernisierter Technik eine wirklich gute Lösung sein! Ich glaube jedoch, dass auch die Risiken einer solchen Verschmelzung durchdacht und stringent gemanaged werden müssen, wenn die Zusammenführung eine dauerhafte Zukunft haben soll.

Als erstes könnte man jenes besser machen, woran Twoday all die Jahre kläglich gescheitert ist: eine vernünftige, vertrauensvolle, offene, zeitnahe Information und Kommunikation. Am Ende des Tages könnte sonst keiner mehr da sein, den man noch retten könnte. Menschen gehen meist den Weg der größten Sicherheit — und keiner wird bis zum Ende nur abwarten, um dann vielleicht mit leeren Händen und einem gelöschten Blog dazustehen.

Danke für die genaue Analyse von Antville. Auch wenn ich Twoday gern lebend sehen würde, ist der Umzug nach Antville wohl eher der nächste Tod. Merke jetzt schon das mein Wordpress-Blog mehr Besucher hat als der bei Twoday, ich vermute da kann Antville nicht mithalten.
Der große Pluspunkt von Antville (für Twoday-User) ist die Vertrautheit der Online-Umgebung. Für den, der ganz neu zu Wordpress kommt, braucht es doch eine ziemliche Lernkurve, bis man sich wieder einigermaßen auskennt. Das braucht Durchhaltewillen.

Antville kann eine gute Lösung werden, aber ich sehe im Moment nicht, dass die Überleitung zielstrebig und eloquent gemanaged wird, dass potenzielle Probleme adressiert und die Leute pro-aktiv "mitgenommen" werden. Warum gibt es nicht schon lange einen neuen Antville-Blog "Überleitung Twoday-Antville: Fragen und Antworten", wo man sich mal austauschen könnte. Entweder, da kommt jetzt eine gewisse Dynamik rein, oder die Leute sind alle bei wordpress.com oder selbstgehosteten Wordpress sites.

Du hast auf jeden Fall alles richtig gemacht, Nadine, kannst in Ruhe den 31.05. abwarten und dich später immer noch für Antville entscheiden, wenn du das dann noch willst. Alles gut! ;)
Hallo Neon
Ich hatte mir Antville auch angeschaut, es ist verlockend wegen der von Dir erwähnten "historischen Bloggeschichte". Jedoch riskant.
Mit meinen schon länger existierenden siebensachen auf Wordpress komme ich nicht weiter. Funktioniert einfach nicht richtig. Ich wollte schon das Handtuch werfen.
Wegen aufgetretener Blogentzugserscheinungen habe ich mich durchgerungen eventuell einen neuen Blog unter anderem Namen zu erstellen. Zur Auswahl stehen bei WP nur diverse bezahlte Blogs, was grundsätzlich ok ist. Aber mein Bezahlwille scheitert am Bezahlmodus. Es gibt nur Karte. Kein Bezahlen über PP. Hättest Du eine Idee wie ich trotzdem wieder zu einem Blog kommen könnte? Danke für jeglichen guten Rat. Waltraut
Hallo Waltraut - ich habe dir gerade ein E-Mail an deine swissonline-Mail gesandt!
Leider habe ich kein Mail erhalten, vielleicht ist die verwendete Mailadresse nicht korrekt.
Ich habe die aus deinem Mail von Nov 2014 verwendet (w.bxxxxxxx@swissonline.ch). Eventuell ist das Mail auch im Spam-Ordner gelandet!? Ansonsten, falls es eine neue/bessere E-Mail-Adresse gibt, sende mir einfach ein kurzes Kontakt-Mail, in dem du oben rechts auf das Briefsymbol in der Menüleiste klickst.
Meine Information ist, dass der Verein Antville, wenn er es denn macht, das ganze Twoday so übernehmen würde, wie es ist - Domain, System, etc - und dann aus dem bestehenden System heraus die Anpassungen an das heutige Antville machen würde. Es würden also nicht einzelne Blogs übernommen, sondern das große Ganze.
Was wiederum großartig wäre.
Das ist auch mein Verständnis, skydance, aber das ändert ja nichts an der obigen Problemanalyse. Es wäre sicher hilfreich, einen zeitlichen Übersichtsplan zu sehen, der zeigt, wie lang welche Phase (Konservierung, Migration) dauern soll. Auch inhaltlich: plant man, irgendwann EINE Datenbank zu haben, oder wird "Old Twoday" sukzessive auf die Antville-Basisversion hochgezogen, bleibt aber eine separate DB? Will man sich wirklich eine permanente Doppelpflege ans Bein binden?

Ich kenne das österreichische Datenschutzgesetz nicht, aber in DE erhalte ich schon Bettelmails, meine Daten und die Newsletteranmeldung wieder zu autorisieren, wenn sich nur die Rechtsform des (identischen) Providers ändert. Hier liegt sogar klar ein Wechsel der juristischen Person vor. Logo: IT-Leuten ist solche juristische Kleinteiligkeit meist furchtbar schnuppe, aber es hilft i.d.R. nicht, Gesetze einfach zu ignorieren.

Zur Trag- und Zukunftsfähigkeit habe ich oben alles geschrieben: aus meiner Einschätzung wird daraus kein kräftiger Gesunder, wenn man zwei Kranke in ein gemeinsames Bett legt. Kann man auch an den allermeisten Fusionen in der Wirtschaft prima nachvollziehen.

Und: kann der Verein den erhöhten Aufwand finanziell eigentlich tragen? Das letzte publizierte Quartal von 4/2016 brachte ein GUV-Ergebnis von -75,11. Wie entwickelt sich das, wenn Kosten und Aufwand duch den Twoday-Zugang weiter steigen?
Juristisch kenne ich mich nicht so gut aus, aber es passiert doch mittlerweile ständig, dass Communities und Sites den Besitzer wechseln. Hätte man da nicht schon besorgt sein müssen, als knallgrau zu vi knallgrau wurde usw.?

Ganz und gar nicht zustimmen kann ich der Einschätzung, dass sich da "zwei Kranke miteinander ins Bett legen". Antville wird aktiv entwickelt und ist in allen wichtigen Belangen up to date.

Finanziell denke ich zudem, dass von twoday-Nutzern, von denen doch ein guter Teil für Basic Abos bezahlt hat, auch mehr Spendenbereitschaft da ist, als von den früheren Antville-Nutzern, die es nur free kannten.

Aber warten wir mal ab, was die Community spricht.

Ich respektiere deine Meinung, skydance, aber ich komme da einfach zu anderen Ergebnissen bei meiner Analyse:

  • Juristisch: Dass man einmal mit nicht-gesetzeskonformem Handeln ohne Klage durchgekommen ist, bedeutet nicht, dass das auch problemlos mehrfach funktioniert. Das ist ein Vabanquespiel, dessen unnötiges Risiko man tragen muss, wenn man es nicht pro-aktiv managt (was z.B. durch ein simples Mail an alle Blogeigner machbar wäre).
  • Krankheitsgrad/Modernität: Naja, dass Twoday ökonomisch und technisch krank ist/war, darüber muss man sich sicher nicht mehr streiten — immerhin werden die lebens­erhaltenden Maßnahmen ja Ende Mai endgültig abgestellt. Aus Gründen. q.e.d. Dass Antville durchaus etwas moderner ist, kann man behaupten, ist aber mutig bei einer "aktiv entwickelten" Software, deren letzter Github-Commit vor knapp 3 Jahren stattfand. Weder sind die Skins/Templates responsiv, noch ist das Design besonders up-to-date und ansprechend (allein Twodays Blogroll ist schon um Größenordnungen besser als Antvilles Startseite). Außer Tobi Schäfer (p3k) gibt es keine anderen Contributoren mehr, die helfen, Wartungs- und Weiterentwicklungsaufgaben abzuarbeiten. Was passiert eigentlich, wenn Tobi ausfallen sollte?
  • Finanziell: Twoday-Nutzer haben Basic-Abos nicht aus anthroposophischen Gründen bezahlt, sondern weil sie Bildspeicherplatz brauchten und ihnen knallgrau bei Überschreitung knallgrauhart die Blognutzung abgedreht hat. Daneben gab's noch einige Business-User, die wg. kommerzieller Nutzung zahlen mussten. Wenn es das Kalkül Antvilles ist, sich durch die Twoday-Übernahme mehr potenzielle Spender ins Haus zu holen, bin ich sehr gespannt, ob das aufgeht und zumindest die steigenden Kosten kompensiert.
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