Grenzerfahrung

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Nach den Nachrichten der letzten Wochen und den vielen Flüchtlingsbildern hatte ich eine leise Vorahnung. Aber es ist etwas anderes, es persönlich und ganz nah zu sehen. Schon 4-5 km vor Port de Calais liefen Gruppen von Flüchtlingen eng entlang der Standspur an der stark befahrenen Autobahn A16 in Richtung der Car Ferries.

Ich hatte davon gelesen, dass viele es versuchen, durch den Eurotunnel oder mittels LKW auf den Ferries nach England zu gelangen, aber hatte mir keine Vorstellung gemacht, dass es so viele sind. Ich sah mehrere Hundert, die in einem langen zerpflückten Treck auf der Autobahn gingen, die meisten jung, Mitte 20, manche erschöpft auf der Leitplanke sitzend, müde vom langen Weg, andere weiter energischen Schrittes die erfolgversprechende Route zur Kanalgrenze suchend.

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Der Verkehrsfluss staute sich, wurde langsam, kam schließlich ganz zum Erliegen. Ich sah, wie Flüchtlinge auf die rechte der zwei Autobahnspuren liefen, gewandt prüfend, ob bei den LKWs die rückwärtigen Türen zu öffnen waren. Viele Fahrer schienen diese bereits vorsorglich verriegelt und verplombt zu haben, bei anderen ließen sie sich problemlos öffnen und wurden, wenn sich Platz und eine Möglichkeit ergab, sofort geentert.

Der Stau löste sich auf und nach wenigen Kilometern änderte sich das Straßenbild: Aberdutzende von weißen Einsatzwagen mit hunderten schwarzuniformierten Polizisten in voller Kampfmontur mit Schild, Schlagstock und Pfefferspray riegelten die letzten 1000m zur Passgrenze ab. Alle LKW wurden streng kontrolliert. Kaum die Chance auf ein Durchkommen.

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Ich aber fuhr unbehelligt weiter, hielt meinen deutschen Ausweis an der französischen und englischen Passgrenze aus dem Fenster, wurde ohne Nachfrage durchgewunken und war 90 Minuten später in Dover.

Es ist ein seltsames Gefühl, ohne eigenes Zutun auf der besseren, akzeptierten Seite der Grenze ins Leben geworfen worden zu sein, mit dem richtigen Pass, einer erwünschten Nationalität, in einem verlässlichen, durch gesellschaftliche Instanzen gesicherten Rahmen.

Wir sollten mehr Menschen die Möglichkeiten eröffnen, ihre Vorstellungen und Träume von einem besseren Leben in Europa zu realisieren.

rebekka (Gast):rebekka.malten@gmail.com
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